Hausen am Tann

Von wegen normaler Berg

05.01.2019

von Nicole Leukhardt

Unvollständige Gutachten, falsch dokumentierte Brutplätze, Sprengungen, wo keine stattfinden sollten? In Hausen wirft eine Infoveranstaltung Fragen auf.

Ein Naturschutzgebiet rund um den Kalksteinbruch auf dem Plettenberg – die Stadt Balingen hatte vor Monaten beim Tübinger Regierungspräsidium angeklopft mit der Bitte, diesen Vorschlag zu prüfen. Vorrang für Flora und Fauna, anstatt Vorrang für Abbau von Rohstoff.

Von wegen normaler Berg

© Privat

Orange Kaisermäntel und ein brauner kleiner Eisvogel – auf zahlreichen Bildern haben die Hausener auf Einladung der Bürgerinitiative am Donnerstagabend im Florianstüble die Artenvielfalt auf dem Plettenberg bestaunt.

Die Antwort kam aus dem Referat 5 von dessen Leiter Dietmar Enkel. Und warf zumindest im Schlichemtal mehr Fragen auf, als sie zu beantworten. Denn der Abteilungspräsident des Referats 5 erkannte in seinem Antwortschreiben durchaus „den naturschutzfachlichen Wert“ der verbleibenden Hochfläche an.

Gleichzeitig betonte er, dass die Fläche in Zukunft geringer sein werde. Somit weise das Gebiet für Arten, die auf weiträumige und offene Gebiete angewiesen sind, nicht mehr ausreichend Lebensraum auf, seine Naturschutzbedeutung werde folglich abnehmen.

Eine Behauptung, die Hans Edelmann und Paul Dannecker aus Hausen am Tann und Ratshausen nicht nachvollziehen können. Denn bislang ist die Fläche außerhalb der 8,6 Hektar Süderweiterung lediglich Rohstoffsicherungsgebiet. „Es sei denn, in Tübingen geht man davon aus, dass sowieso der ganze Bereich abgebaut wird“, sagt Hans Edelmann.

Außerdem: „Die nach der Süderweiterung des Kalksteinbruchs noch bestehende Restfläche hängt schließlich mit dem unmittelbar angrenzenden, bereits bestehenden Naturschutzgebiet Plettenkeller zusammen.“ Für ihn und Paul Dannecker gleicht die Antwort des Regierungspräsidiums einem Eigentor. „Sie geben zu, dass die Fläche naturschutzfachlichen Wert hat, im Umkehrschluss müssten sie doch also alles daran setzen, sie zu erhalten“, findet Hans Edelmann.

Von wegen normaler Berg

Ein Steinschmätzer auf dem Aussichtsast: Er ist vom Aussterben bedroht. Auf dem Plettenberg fühlt er sich heimisch.

Kein gewöhnlicher Berg

Um aufzuzeigen, dass der Plettenberg eben kein normaler Berg ist, haben die beiden gemeinsam mit der Insektenfachfrau Hannelore Cura und den übrigen Mitgliedern der Bürgerinitiative aus Hausen am Tann am Donnerstag zu einer Infoveranstaltung ins Florianstüble in Hausen eingeladen. Eines wurde dabei deutlich: Das Dorf sorgt sich um seinen Hausberg. Schnell war der Vortragsraum bis auf den letzten Platz besetzt, die Diskussionen unter den Gästen stets angeregt aber sachlich.

„70 Prozent der Hausener haben uns beim Bürgerbegehren vor anderthalb Jahren unterstützt“, resümierte Hans Edelmann. Den Plettenberg für spätere Generationen zu erhalten, „das sind wir unseren Nachkommen schuldig“, fügte er an. Wie das konkret aussehen soll, stellten er und seine Mitstreiter am Donnerstag dar.

Wichtige Aspekte dabei: Die Artenvielfalt zu erhalten, die Öffnung der Hausener Kulisse so klein wie möglich zu halten, die Süderweiterungsfläche nicht weiter auszudehnen und die Trinkwasserquellen zu schützen. „Wir wollen dabei nicht den Karussellbremser machen“, formulierte Hans Edelmann die Intention der Bürgerinitiative. Aber mit ihren Beobachtungen auf dem Plettenberg wollen sie aufzeigen, dass die Qualität dieser Bergfläche in ihren Augen auch von Behördenseite nicht immer richtig eingeschätzt werde.

Naturschützer sind alarmiert

Einer, der die Natur auf dem Plettenberg kennt wie seine Westentasche, ist Paul Dannecker. Seit Jahrzehnten ist der Vogelexperte ständiger Gast auf der Hochfläche, beobachtet Vögel und ihre Brutreviere. 47 Arten hat er dabei entdeckt, viele von ihnen sind auf dem Berg zu Hause.

„Wenn man dort oben Braunkehlchen mit Futter im Schnabel während ihrer Brutzeit beobachten kann, ist dies ein eindeutiges Indiz dafür, dass der Vogel dort auch brütet und eben nicht nur ein Durchzügler ist“, sagt Dannecker. Dasselbe gelte für die seltene Ringdrossel.

„Diese Vögel lapidar als Durchzügler im Gutachten zu vermerken, ist unverantwortlich“, kritisierte er die Arbeit des von Holcim beauftragten Büros AG LN Tränkle. Würden schützenswerte Vögel in diesem Gutachten erwähnt, dann stets außerhalb des Vorhabensgebiets, beschrieb Dannecker. Seine Aufzeichnungen kämen hingegen zu einem völlig anderen Schluss: „Ich habe 19 streng geschützte Arten von der roten Liste im Vorhabensgebiet dokumentiert.“

Doch dies allein war nicht der einzige Punkt, den der Vogelkundler am Donnerstag anprangerte. Auch Gelege würden auf gutachterlichen Karten „wandern“, sagt er. Während in einer Karte noch zwei Gelege der Heidelerche eingezeichnet seien, fehle auf einer nur wenige Tage älteren Karte eines der beiden Vorkommen gänzlich, ein zweites sei aus der Erweiterungsfläche herausgewandert.

„Im Dialogverfahren von Holcim von der Firma Adribo wurde die Schonung der Heidelerchen-Brutfläche bis 2024 schriftlich zugesichert“, sagt er. Dass die Praxis ganz anders aussehe, zeige jedoch ein Vorfall Ende Mai 2018: „Es gab eine Sprengung mitten im Brutrevier der Heidelerche.“

Zwar habe er sofort beim Landratsamt nachgehakt, ob die Sprengung nicht verhindert werden könne. „Aber dort wurde mir gesagt, der Sprengstoff sei jetzt schon im Boden eingebracht, dies könne nicht mehr rückgängig gemacht werden“, sagt Dannecker, hörbar frustriert.

Um ihren Hausberg und seine Pflanzen- und Artenvielfalt wollen die Hausener auch weiter kämpfen und fordern eine neutrale Prüfung der Gutachten. Außerdem denkt die Bürgerinitiative über ein weiteres Bürgerbegehren nach.

Die Naturschützer haben sich mit einem umfangreichen Brief unter anderem an Ministerien, Politiker, Parteien, Naturschutzverbände und den Regionalverband gewandt.

Wir haben das Balinger Landratsamt als untere Naturschutzbehörde um Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten. Die Pressestelle kündigte die Antworten für die kommende Woche an.

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