Balingen

Auto auf B27 fast in Leitplanke gedrängt? 49-Jähriger muss sich vor Amtsgericht verantworten

30.04.2024

Von Nicole Leukhardt

Auto auf B27 fast in Leitplanke gedrängt? 49-Jähriger muss sich vor Amtsgericht verantworten

© Pascal Tonnemacher

Ein 49-Jähriger muss sich wegen vorsätzlicher Gefährdung und vorsätzlichem Eingreifen in den Straßenverkehr vor dem Hechinger Amtsgericht verantworten (Symbolfoto).

Er soll im Dezember des vergangenen Jahres einen Autofahrer auf der B27 zwischen Bisingen und Balingen zur Notfallbremsung gezwungen und ihn danach bewusst und gefährlich bedrängt haben. Vor dem Hechinger Amtsgericht muss sich ein 49-Jähriger wegen vorsätzlicher Gefährdung und vorsätzlichem Eingreifen in den Straßenverkehr verantworten. Gegen einen Strafbefehl hatte er Einspruch eingelegt.

Die Anklage, die der Vertreter der Staatsanwaltschaft verlas, zeichnete ein eindeutiges Bild vom Fahrverhalten des Angeklagten. Auf der Aufschleifung auf die B27 von der B463 aus Richtung Owingen kommend soll der 49-Jährige mit seinem Kia über die durchgezogene Linie direkt auf die linke Spur gewechselt sein. Dort löste er beim Mercedes des Zeugen, der gerade selbst beim Überholen war, den Notfallbremsassistenten aus. Nachdem der Angeklagte, nun direkt vor dem Mercedes, seinerseits den Überholvorgang beendet hatte, soll er nach rechts eingeschert sein.

Als der Mercedesfahrer auf gleicher Höhe mit dem Angeklagten war, habe es einen Blickkontakt zwischen den Fahrern gegeben. Wenige Augenblicke später, so die Staatsanwaltschaft, soll der Beschuldigte sein Auto bewusst nach links gelenkt und den Mercedesfahrer so zum Ausweichen in Richtung der Leitplanken gezwungen haben.

„Es war keine Fahrzeuglänge mehr dazwischen“

Vorwürfe, zu denen der Angeklagte während des gesamten ersten Prozesstages keinerlei Angaben machen wollte. Der Mercedesfahrer indes umso mehr. Er sei mit seinem 16-jährigen Sohn auf dem Weg nach Balingen zu einem Zahnarzttermin gewesen, schilderte er. An besagter Aufschleifung sei der Kia des Angeklagten „direkt im Scheitelpunkt der Kurve sofort über die durchgezogene Linie auf die linke Spur gewechselt“, wie er schilderte. Der Notfallbremsassistent seines Autos sei angesprungen, „er zieht die Gurte straff und geht voll in die Eisen“, beschrieb er die Situation. Seiner Schätzung zufolge sei zwischen seinem und dem Auto des Angeklagten „keine Fahrzeuglänge mehr dazwischen gewesen“.

Als der Angeklagte auf die rechte Spur gewechselt habe, habe es auf gleicher Höhe Blickkontakt gegeben. „Ich habe rechts rübergeschaut, ihm direkt in die Augen“, erzählte er. In der Erwartung, der andere Fahrer werde sich für sein Verhalten entschuldigen. „Plötzlich macht der einen Schlenker nach links, als ob er Box-Autole spielen will“, beschrieb er. „Und da hat der Spaß ein Loch.“ Zumal ein Kind mit im Auto gesessen habe, wie der Zeuge betonte. Er sei ein routinierter Vielfahrer, betonte er mehrfach, und habe wohl nur deswegen eine Kollision mit der Leitplanke verhindern können.

Die letzten Meter der Schlangenlinien gibt’s auf Video

Augenblicke später habe er den Kia-Fahrer wieder extrem dicht hinter sich gehabt, bis er schließlich selbst nach rechts wechselte. Der Angeklagte habe überholt und sich in großen Schlangenlinien und mit überhöhter Geschwindigkeit entfernt. Der Sohn hielt die letzten Meter dieser Fahrt auf Video fest. Zwar ist der Fahrer darauf nicht zu sehen, „ich bin mir aber ganz sicher, dass er es war“, betonte der Zeuge mit Blick auf den Angeklagten.

Eine Behauptung, die der Verteidiger des Angeklagten so nicht glauben konnte. Denn bei der Polizei, so hielt er dem Zeugen vor, habe er einen 30 bis 35 Jahre alten Mann mit braunen Haaren, einem Bart und ohne Brille beschrieben. Sein Mandant habe allenfalls braune Haare, trage jedoch eine Brille aber keinen Bart und seit zudem 49 Jahre alt. „Drei wesentliche Merkmale stimmen nicht überein“, betonte er.

Dass der Mercedesfahrer sich bei seinen Angaben auf dem Hechinger Polizeirevier, wo er Anzeige erstattet hatte, sicher war, bestätigte auch die Polizistin im Zeugenstand, die mit dem Sachverhalt betraut war. Ihr Balinger Kollege habe den Fahrzeughalter abends an seiner Meldeadresse angetroffen. „Er hat aber noch vor der Belehrung gesagt, dass er sich nicht dazu äußern werde“, hatte jener Kollege ihr übermittelt.

Bart oder Brille?

„Ein ungewöhnliches Verhalten, wenn man nichts gemacht hat“, wie der Vertreter der Staatsanwaltschaft in seinem Plädoyer bemerkte. Er halte die Angaben im Strafbefehl für erwiesen. Der Zeuge habe „präzise und detailgetreue Angaben gemacht, die weitgehend widerspruchsfrei sind“ begründete er. Der einzige Widerspruch bestehe in der Beschreibung der Person des Fahrers, „aber die Situation war sehr kurz, er musste über den Sohn hinweg durch zwei Scheiben sehen, und einen Bart und eine Brille kann man mal tragen und mal nicht“. Er forderte 50 Tagessätze à 40 Euro und den Einzug des Führerscheins für zehn Monate.

Über Widersprüche nicht hinwegwischen

Der Anwalt des Angeklagten sah dies naturgemäß anders. Der Täternachweis könne schlicht nicht geführt werden, erklärte er. Die Beschreibung der Merkmale des Fahrers „fallen zu sehr auseinander“, wie er betonte, es sei nicht zweifelsfrei zu klären, dass es sich bei der Beschreibung um den Angeklagten handle. „Ginge es um die Frage, ob er jemanden umgebracht hat, würde man über diese Aussagewidersprüche auch nicht so hinwegwischen“, begründete er. Vielmehr sei der Zeuge, der seine Schilderung mit „hohem Belastungseifer vorgetragen hat“, schlicht überzeugt davon, den Fahrer jenes Autos vor sich zu haben, „auch die Widersprüche bringen ihn nicht davon ab“. Für ihn komme nur ein Freispruch seines Mandanten infrage.

Die Richterin, die nach kurzer Beratungszeit ein Urteil angekündigt hatte, überraschte am Ende: Sie wolle nun doch erneut in die Beweisaufnahme eintreten und den Polizisten als Zeugen laden, der den Angeklagten abends aufgesucht hat. „Er wird womöglich etwas zu Bart und Brille an diesem Tag sagen können“, so ihre Begründung. Die Verhandlung wird folglich fortgesetzt.

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