Handball

„Erfolg ist nicht kalkulierbar“: HSG Albstadt greift nach der Meisterschaft

13.04.2024

Von Daniel Drach

„Erfolg ist nicht kalkulierbar“: HSG Albstadt greift nach der Meisterschaft

© Moschkon

Michael Gruber (links) übernahm das Traineramt bei der HSG Albstadt vor zwei Jahren und hat viel im Verein bewegt. Durch seinen Abgang am Saisonende musste der Sportliche Leiter Tobias Hilsenbeck einen Nachfolger suchen – doch auch das gelang. Zusammen wollen sie nun noch den Aufstieg feiern.

Die Württembergliga-Handballer der HSG Albstadt haben nach dem Derbysieg gegen Weilstetten vor Wochenfrist am Samstag die Chance, den Meistertitel in eigener Halle klarzumachen. Der Aufstieg in die BWOL wäre damit aber noch nicht fix.

Fest steht aber, dass Trainer Michael Gruber am Saisonende abtreten wird. Der Sportliche Leiter der Schwarz-Roten, Tobias Hilsenbeck, konnte mit Andreas Wendel bereits einen Nachfolger präsentieren. Im Interview sprechen die beiden HSG-Funktionäre über den Derbysieg, den Schlüssel zum Erfolg sowie die nahe und ferne Zukunft.

Herr Gruber, Herr Hilsenbeck, wie haben Sie den 36:31-Erfolg vor 800 Zuschauern im „Fuchsbau“ erlebt?

Michael Gruber: Ich finde, es war über 60 Minuten gesehen ein verdienter Sieg für uns. Wir kommen schwer rein, weil der TVW emotional wirklich voll da war. Sie waren gut eingestellt und haben es gut gemacht. Dennoch kann ich meiner Abwehr keinen großen Vorwurf machen. 13 Gegentore in der ersten Halbzeit ist völlig okay. Was wir uns vorwerfen lassen müssen, ist, dass wir nicht sofort die Lösungen im Angriff gefunden haben. Und dann machen wir zu viele Nebenkriegsschauplätze auf, die wir eigentlich gar nicht nötig haben – aber das gehört bei einem Derby vielleicht auch dazu. Es war schon auch wichtig für die Region, dass es mal wieder solche Derbys gab. Wir spielen lieber gegen den TVW vor 800 Leuten als in Stuttgart vor 50. Das sind die Spiele, für die man das Ganze macht. Das war ein absolutes Highlight-Spiel. Wir haben uns nicht aus dem Konzept bringen lassen und uns ein Matchball-Spiel erarbeitet.

Tobias Hilsenbeck: Es war ein typisches Derby, geprägt von viel Kampf und Emotionen – und auch einigen Nickeligkeiten. Da sind die Gemüter schon hochgekocht. In meinen Augen gab es etwas zu viele Zeitstrafen, auch die Roten Karten waren teilweise überzogen. Es war handballerisch kein Leckerbissen, aber es war eine super Stimmung in der Halle und ein echtes Highlight. Am Ende sind wir unserer Favoritenrolle gerecht geworden – aber der TVW hat es uns richtig schwer gemacht.

Der Derbysieg war mit der Verletzung (Nasenbeinbruch) von Frank Raible aber auch teuer erkauft. Wie weh tut der Ausfall im Saisonfinale?

Gruber: In allererster Linie ist das natürlich für Frank bitter, weil das definitiv das Saisonaus für ihn bedeuten wird. Das tut mir einfach für Frank leid, der auch die letzten Jahre immer mal wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Der Ausfall reißt natürlich bei uns auch eine Lücke – gerade im Innenblock.

Nun steht der erste Meisterschafts-Matchball an – zu Hause beim Sponsorenabend. Wie gehen Sie das Spiel gegen Lauterstein an?

Gruber: Natürlich steht es auf der Agenda, mit einem Heimsieg die Meisterschaft klarzumachen und dann mit den Fans und den Sponsoren zu feiern. Aber das müssen wir uns erst erarbeiten. Lauterstein hat zuletzt 6:0 Punkte geholt. Für sie ist es ein Spiel, das sie ohne Druck angehen können. Gegen den Tabellenführer spielt man meistens noch ein bisschen besser – das hat man auch im Derby gesehen. Aus dem Hinspiel wissen wir, dass es ein Team ist, das nie aufgibt. Wir müssen ihr Tempospiel unterbinden und selbst wieder mehr ins Tempo kommen. Das ist uns gegen den TVW nur phasenweise gelungen.

Hilsenbeck: Es ist schön, dass wir es jetzt in eigener Halle klarmachen können. Wir haben es schon auch ein Stück weit so vorausgeplant mit dem Sponsorenabend, als absehbar war, dass es bei diesem Spiel klappen könnte. Aber das Spiel muss erst gespielt werden – es kann alles passieren. Da kann schon auch Nervosität aufkommen, wenn man das Ziel vor Augen hat. Aber ich halte die Mannschaft für abgezockt und routiniert genug, dass sie das durchzieht.

Die Runde glich bisher einem Durchmarsch. Hätten Sie im Vorfeld damit gerechnet?

Gruber: Ich finde, wir hatten eigentlich auch letztes Jahr schon eine richtig gute Mannschaft. Wir haben uns gut weiterentwickelt, bis zum Wendepunkt im Februar, als wir dann einige Verletzungen hatten. Da hat man gesehen, dass die Breite des Kaders zu schwach ist. Mit den Verpflichtungen von Julian und Gregor Thomann sowie Fabian Mayer war dann klar, dass wir uns nicht nur in der Breite, sondern auch in der Spitze verstärken werden. Daher war es schon auch klar, dass wir eine sehr gute Rolle spielen können. Aber dass es dann so läuft, ist einfach nicht kalkulierbar. Erfolg ist einfach immer ein Zusammenspiel von ganz, ganz vielen Faktoren.

Hilsenbeck: Unser Ziel war am Anfang der Saison ein Platz unter den Top drei. Wir sind weitgehend von Verletzungen verschont geblieben. Das Glück hatten nicht alle Mannschaften – beispielsweise der TVW. Dann hatten wir zwar die Spieler, um oben mitzuspielen, es braucht jedoch auch immer ein Trainerteam, das daraus eine Mannschaft formt. Das hat Michi top gemacht – und auch Dominik Koch. Die Jungs waren immer top eingestellt. Die Leistung aller Beteiligten ist gar nicht hoch genug anzurechnen.

Was war dann letztlich der Schlüssel zum Erfolg?

Gruber: Nach den ersten Trainingswochen hat man schon gesehen, dass ein richtiger Wille, ein richtiger Zug in der Mannschaft da ist – und dass alle was erreichen wollen. Aber eine Saison ist sehr lang, man muss sich jede Woche neu fokussieren – egal gegen wen. Da muss ich meiner Mannschaft ein großes Kompliment aussprechen. Das war schon der Schlüssel zum Erfolg: der unbedingte Wille, die mannschaftliche Geschlossenheit und natürlich auch die qualitativ hochwertigen Zugänge.

Sollte der erste Matchball verwandelt werden, stehen drei bedeutungslose Spiele vor der Relegation an. Wie wollen Sie diese Phase angehen?

Gruber: Das ist eine schwierige Frage. Wir müssen erstmal den Ausfall von Frank verdauen und somit schauen, dass wir die Spiele auch nutzen, um die Kräfte zu schonen und andere Spieler einzubauen für die Relegation. Aber es ist wichtig, nicht den Fokus zu verlieren. Und wir schreiben uns auch auf die Fahne, dass wir nicht nachlassen wollen. Wir wollen nicht für andere Vereine ein Faktor sein, was Abstieg oder Ähnliches angeht.

Wie blicken Sie der Relegation im Mai gegen den badischen Meister entgegen?

Gruber: Es steht noch nicht fest, ob es Hardheim oder Heddesheim wird. Da wissen wir in 14 Tagen wohl mehr. Ich muss aber schon sagen, dass ich den Modus nicht verstehe. Für mich gehört der württembergische Meister in die Baden-Württemberg Oberliga – da gibt es für mich keine Alternative. Vor allem, wenn ein Team Anfang April mit minus drei Punkten dasteht. Aber wir können es nicht ändern. Entsprechend sind es dann wieder zwei Alles-oder-Nichts-Spiele, die wir auch so angehen werden.

Hilsenbeck: Ich finde es ein Unding, dass man als Meister nicht direkt aufsteigt. Wenn es ganz blöd läuft, hat dieser Modus verheerende Auswirkungen auf den Abstiegskampf – falls wir und der Zweite nicht aufsteigen. Da wird die ganze Arbeit vom Verband nicht gewürdigt. Dennoch werden es zwei schöne Bonusspiele, auch wenn es schade ist, dass wir zuerst daheim spielen.

Seit dem Jahreswechsel steht fest, dass Sie, Herr Gruber, am Saisonende abtreten. Wie schwer wird Ihnen der Abschied fallen?

Gruber: So richtig Gedanken habe ich mir darüber noch nicht gemacht, weil der Fokus auf dem Hier und Jetzt liegt. Mein Ziel ist es natürlich, mit dem maximalen Erfolg zu gehen. Ich weiß allerdings, wenn ich eine Entscheidung treffe, ist die immer wohlüberlegt und für mich ganz klar. Daher bereue ich nichts. Die zwei Jahre in Albstadt waren für mich eine unfassbare Chance, ein unfassbares Erlebnis. Und ich bin auch der Meinung, dass man bei der Weiterentwicklung der Mannschaft meine Handschrift doch auch gesehen hat. Speziell in diesem Jahr habe ich mit vielen tollen Spielern und Charakteren zusammenarbeiten dürfen. Zudem habe ich auch von Leuten wie Julian Thomann oder Fabian Mayer noch mal viel dazugelernt – dafür bin ich sehr dankbar. Ich weiß, dass meine Handballreise noch nicht zu Ende ist, sondern nur das Kapitel HSG Albstadt. Es wird irgendwann weitergehen, es gab auch schon genügend Anfragen. Aber für mich ist es die richtige Entscheidung.

Herr Hilsenbeck, wie bewerten Sie die Arbeit von Michael Gruber?

Hilsenbeck: Michi hat über die zwei Jahre hinweg eine top professionelle Arbeit abgeliefert. Er ist sehr gut strukturiert und organisiert. Und sein Engagement ist in vielen Bereichen auch über die Trainertätigkeit hinausgegangen. Er hat sich in so vielen Bereichen im Verein eingebracht und einen ganz großen Beitrag zur Weiterentwicklung geleistet. Er ist wirklich ein Vorzeigetrainer, der sich immer in den Dienst des Vereins stellt. Es ist schade, dass er geht – wir hätten gerne mit ihm weitergemacht. Aber bei ihm war es jetzt einfach der Faktor Zeit. Ein Trainerwechsel bringt aber auch immer frischen Wind. Mit Andreas Wendel haben wir den perfekten Nachfolger gefunden und freuen uns auf die Zusammenarbeit.

Wo sehen Sie noch Potenziale bei der HSG und wohin kann der Albstädter Weg führen?

Hilsenbeck: Ziel eins und zwei sind nun zunächst mal der Titel und dann der Aufstieg. Danach ist es schon unser Ziel, uns in der Oberliga zu etablieren. Ich finde, wenn uns das gelingt, hätten wir einen großen Schritt gemacht. Darüber hinaus wollen wir aber auch unsere Jugendarbeit wieder verbessern. Da lag die letzten Jahre doch einiges im Argen. Das sieht man auch daran, dass wir keine Mannschaften auf HVW-Ebene hatten. Da leisten viele Vereine in der Region richtig gute Arbeit, es gibt auch viele gute Talente. Ich denke, es ist wichtig, dem Nachwuchs verschiedene Plattformen bieten zu können. Auch mit der zweiten Mannschaft sollten wir in die Landesliga aufsteigen. Da klafft jetzt dann schon eine Lücke zur ersten Mannschaft – und die wollen wir kleiner machen.

Zwei Abgänge stehen fest

Die Personalplanungen bei der HSG Albstadt sind abgeschlossen. Für die kommende Saison hat der Württembergliga-Primus bereits drei Neuzugänge bekannt gegeben: Dennis Fuoß (HBW Balingen-Weilstetten 2), Noa Alilovic (TV Weilstetten) und Lasse Fuchs (HSG Fridingen-Mühlheim) schließen sich den Schwarz-Roten an. Und auch auf der Abgangseite herrscht nun Klarheit.

Besonders hart trifft die Albstädter das nun feststehende Karriereende von Frank Raible. „Wir haben viele Gespräche geführt“, berichtet HSG-Funktionär Tobias Hilsenbeck. „Bei ihm macht der Körper einfach nicht mehr mit. Er hat ja schon lange mit Schulterproblemen zu kämpfen.“ Dass der 27-Jährige sich nun noch einen Nasenbeinbruch zugezogen hat, habe ihn in seiner Entscheidung bestärkt, so Hilsenbeck weiter, „aber das war nicht der ausschlaggebende Punkt.“

Darüber hinaus wird auch Raphael Forster die Albstädter verlassen. Der Rückraumspieler wechselt zum akutellen Ligakonkurrenten TV Weilstetten. Hilsenbeck wünscht dem HSG-Eigengewächs viel Spielzeit und eine gute Entwicklung. „Es ist schade, weil es ein junges Talent ist“, meint der Sportliche Leiter. „Aber ich habe ihn in seiner Entscheidung bestärkt. Aus Spielersicht ist es für ihn nächstes Jahr mit Sicherheit die beste Lösung. Auf Rückraum Links sind wir mit Patrick Lebherz und Noa Alilovic einfach brutal besetzt.“

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