Zollernalbkreis

Gedanken zum Sonntag: Eine kleine Pfingstgeschichte

19.05.2018

In einer sizilianischen Bergstadt gab es einmal einen Pfarrer, dem war es ein besonderes Anliegen, anschaulich und originell zu predigen.

Und jedes Jahr zu Pfingsten ließ er vom Küster gleich nach dem Evangelium eine Taube in die Luft werfen. Jeder wusste, dass dies nicht der Heilige Geist selbst war – sondern nur ein Symbol.

Aber alle wussten auch: Wem sich die Taube auf die Schulter oder auf den Kopf setzte, dem war eine besondere Erleuchtung durch den Heiligen Geist gewiss. Beweise dafür gab es genug: Vor einigen Jahren war die Taube dem Dorfschullehrer auf die Schulter geflogen, und der hatte dann endlich gewagt, ein geistreiches Buch zu veröffentlichen, das schon lange als Manuskript in seinem Schreibtisch geschlummert hatte.

Einmal hatte sich die Taube dem jungen, eingebildeten Grafen auf den Kopf gesetzt, und der ließ eine neue Wasserleitung für das Dorf bauen. Und irgendwie muss es ihm gut getan haben, den Leuten auch einmal zeigen zu können, dass er einen guten Kern in sich hatte. Und ein andermal fasste der undurchsichtige Verwalter des städtischen Armenhauses den Entschluss, mit unterschlagenen Geldern eine Kapelle errichten zu lassen, die „Kapelle Santo Spiritu“. Er lebte richtig auf, weil er dadurch endlich wieder gut machen konnte, was ihn schon so lange bedrückt hatte.

Dann kam ein neuer Pfarrer aus dem unfrommen Norden. Der hielt nichts vom „abergläubischen Spektakel“, wie er es nannte – und die Taube war für ihn einfach ein Vogel. Aber wenn er auch gegen diesen Unfug wetterte, so wollte er doch seine neue Gemeinde nicht gleich vergraulen und den Flug der weißen Taube am Pfingstfest kurzerhand verbieten. So ordnete er an, dass zumindest die Fenster und Türen der Kirche weit offen bleiben müssten.

Doch ohne sich darum zu kümmern, flog die Taube dreimal hin und her und setzte sich dann auf die rechte Schulter des neuen Pfarrers. Ihm war das sehr peinlich. Aber alle Gottesdienstbesucher gerieten darüber außer sich vor Freude und applaudierten.

Eine schöne Geschichte! Und jeder von uns könnte jetzt für sich überlegen: Wenn diese Taube auf meiner Schulter landen würde, wozu könnte ich mich ermutigen und beflügeln lassen?

Wo brauche ich neuen Schwung? Wo wären Klärungen wichtig? An welcher Stelle ist bei mir die Luft raus? Wo würde ich gerne anders sein als ich’s im Moment bin? Wo würde ich gerne etwas in Ordnung bringen? Was bedrückt mich schon lange? Wo weiß ich, dass mein Einsatz gefragt ist? Und wovor drücke ich mich ständig?

Pfingsten feiern wir den Geburtstag der Kirche. Pfingsten sagt dir und mir: „Der Heilige Geist will bei dir landen. Er will, dass du Maß nimmst an Jesus Christus. Gibst du diesem Geist eine Chance in deinem Leben?“

„Komm Heiliger Geist, erfülle die Herzen Deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer Deiner göttlichen Liebe.“

So heißt es in einer überlieferten Anrufung an den heiligen Geist. Habe ich den Mut, um so zu beten? Kann ich das zu meiner Sprache werden lassen? Bin ich bereit, das mit mir machen zu lassen? Wenn der Funke überspringt dann bleibt Pfingsten nicht ohne Folgen. Damals nicht, vor 2000 Jahren. Und heute auch nicht. Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Ganz egal, ob da eine Taube auf deiner Schulter landet, oder nicht.

Schuldekan Reiner Lehmann und Diakon in Schramberg-Lauterbach

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