Hechingen

Sorge, dass täglich Lastwagen durchbrettern: Lutz Beck klagt gegen Edeka-Bau in Hechingen

13.03.2024

Von Olga Haug

Sorge, dass täglich Lastwagen durchbrettern: Lutz Beck klagt gegen Edeka-Bau in Hechingen

© Olga Haug

Lutz Beck auf seinem Grundstück. Sein Haus befindet sich in einer Sackgasse, Im Eierle. Er befürchtet, dass die Straße verlängert wird, um den Lieferverkehr für den Edeka zu gewährleisten, und hat demnach Sorge vor enormer Lärmbelästigung.

Lutz Beck klagt am Verwaltungsgericht Sigmaringen gegen den geplanten Edeka-Bau in der Haigerlocher Straße, unmittelbar neben dem bereits bestehenden Einkaufskomplex und ebenso angrenzend an Becks Privatgrundstück. Lutz Beck fürchtet unzumutbaren Lärm und zweifelt an der Zulässigkeit des Marktes. Das Regierungspräsidium und Bauherr Franz Xaver Bumiller halten dagegen.

„Leben und leben lassen“, das sei sein Lebensmotto, sagt Lutz Beck direkt vorneweg, als er sich mit unserer Zeitung auf seinem Grundstück zu einem Gespräch trifft. Lutz Beck wohnt Im Eierle. Sein Wohn- und Geschäftshaus befindet sich in einer Sackgasse, hinter dem Einkaufskomplex mit Netto, Kik und Fressnapf an der Haigerlocher Straße. Daneben soll der neue Edeka gebaut werden – eigentlich.

Sollte die Klage scheitern, geht er an die nächste Instanz

Gegen das Vorhaben wurde bekanntlich Klage am Verwaltungsgericht Sigmaringen eingereicht. Kläger ist Lutz Beck. Daraus macht er kein Geheimnis. Auf seinem Gelände will er deutlich machen, worum es ihm geht. Warum er sich mit allen Mitteln gegen das Vorhaben wehrt. Denn sollte die Klage vor dem Verwaltungsgericht scheitern, wolle er sich an die nächsthöhere Instanz wenden, sagt er bestimmt.

Beck zieht Klage zurück, wenn er ein Stück Land abkaufen kann

Aber, so fügt er an, er ließe auch mit sich reden, würde sogar die Klage zurückziehen – unter einer Bedingung: Wenn Edeka-Bauherr und Grundstückseigentümer Franz Xaver Bumiller ihm ein Stück Land verkauft, das direkt an Becks Wohnhaus grenzt. Hier würde Beck eigenen Angaben zufolge eine Halle errichten, die ihm, wie er glaubt, den nötigen Lärmschutz bieten würde.

Sorge, dass täglich Lastwagen durchbrettern: Lutz Beck klagt gegen Edeka-Bau in Hechingen

© Olga Haug

Rechts steht das Wohnhaus von Lutz Beck. Links ist der Gebäudekomplex zu sehen, der unter anderem den Netto, Kik und Fressnapf beherbergt. Auf der Fläche daneben soll der neue Edeka gebaut werden. Lutz Beck klagt gegen den Bau. Die Klage wolle er zurückziehen, wenn ihm Edeka-Bauherr Franz Xaver Bumiller einen Teil des Landes verkauft, das unmittelbar an Becks Grundstück grenzt.

Aber von Anfang an: Lutz Beck, aktuell parteiloser Stadtrat, der über 20 Jahre für die CDU im Hechinger Gremium saß, hat mit dem Edeka-Vorhaben ein Problem. Er befürchtet vor allem eine enorme Lärmbelästigung. Seine größte Sorge: Lastwagen, die die Ware für den Edeka anliefern werden.

Ähnliches, so sagt er im Gespräch mit dem ZOLLERN-ALB-KURUER, habe sich vor seiner Haustür nämlich schon einmal abgespielt. Damals, in den 1990er-Jahren, nachdem Franz Xaver Bumiller den Gebäudekomplex an der Haigerlocher Straße gekauft hatte, sollte dort eine Postfiliale einziehen. Beck habe eigenen Angaben zufolge auch damals Widerspruch eingelegt.

Unzumutbare Zustände

Nach einigen Gesprächen mit Bumiller habe Beck den Widerspruch zurückgezogen – und seinen Schritt bereut, wie er heute erzählt. Denn, wie Beck weiter sagt, sei nur wenige Monate später ein Postverteilungszentrum eingerichtet worden.

Die An- und Ablieferung habe Beck zufolge im rückwärtigen Teil des Gebäudes stattgefunden, also unmittelbar vor Becks Grundstück. „Da haben plötzlich 80 Leute in der Sackgasse gearbeitet“, sagt Beck. Tag und Nacht seien hier die LKW gefahren, hätten seine Einfahrt blockiert, auf seinem Grundstück gewendet, hätten gar seinen Garten als Toilette missbraucht. „20 Jahre ging das so“, meint Beck, „eine absolute Zumutung“. So etwas wolle er sich nicht mehr bieten lassen.

Soll Anlieferung über Im Eierle erfolgen?

Deshalb nun die Klage gegen den Edeka. Denn die Sackgasse Im Eierle, so glaubt Beck, werde zu einer Durchgangsstraße ausgebaut, über die der Anlieferungsverkehr für den Edeka abgewickelt werden soll – also wieder direkt vor seiner Haustür. Einen Beweis dafür will er darin festmachen, dass er vor vielen Jahren in diesem Bereich bauen wollte. Sein Antrag wurde abgelehnt, sagt Beck, mit der Begründung: Es sei seit 1930 geplant, die Straße auszubauen und an die gegenüberliegende Fred-West-Straße anzuknüpfen, meint Beck.

Stadt und Bauherr widersprechen

„Es ist nicht vorgesehen, die Straße Im Eierle zu verlängern oder an die Fred-West-Straße anzubinden“, sagt hingegen die Hechinger Stadtverwaltung wörtlich auf Nachfrage unserer Zeitung. An der Straßenführung müssen für den Bau des Edeka keine Änderungen vorgenommen werden, sagt die Stadt weiter. Auch Bauherr Bumiller sagt, dass ein Ausbau der Straße nicht geplant sei. Die Anlieferung der Lastwagen werde laut Plan über die Haigerlocher Straße verlaufen. „Das ist explizit so in der Baugenehmigung festgehalten“, sagt Bumiller im Gespräch mit unserer Zeitung.

„Wir werden bauen.“

Er werde auf jeden Fall bauen, davon ist Bumiller überzeugt. Es sei nur eine Frage der Zeit. Wann genau, sagt Bumiller indes nicht. Denn trotz anhänglichen Verfahrens am Verwaltungsgericht könnte Bumiller theoretisch mit dem Bau beginnen.

Auf die Forderung Becks, ihm ein Stück Land zu verkaufen, gibt Bumiller gegenüber unserer Zeitung keinen Kommentar ab. Nur so viel: „Das Lärmgutachten wurde mehrfach überarbeitet und wird nicht beanstandet.“ Auch das Regierungspräsidium Tübingen sieht bekanntlich keine Bedenken: „Von dem Vorhaben gehen keine unzumutbaren Emissionen aus“, heißt es auf Nachfrage. Und weiter: „Hierzu wurde im Widerspruchsverfahren nochmals die schalltechnische Untersuchung überarbeitet und die aktualisierte Planung berücksichtigt.“ Alle Einwendungen seien vom Regierungspräsidium vollumfänglich zurückgewiesen worden.

Edeka auf gewerblicher Baufläche

Beck sieht sich übergangen: „Ich wohne in einem Mischgebiet“, betont Beck im Gespräch. Ein Edeka dieser Größenordnung sei seiner Meinung nach gar nicht zulässig. Doch die Stadtverwaltung und der Regionalverband Neckar-Alb halten dagegen. Becks Eigentum befindet sich, wie er richtig sagt, zwar in einem Mischgebiet. Der Edeka hingegen „befindet sich auf einer gewerblichen Baufläche“, teilt die Stadt mit. Und diese sei schon zuvor als solche ausgewiesen gewesen. Eine Gebietsänderung, wie Beck kritisiert, sei nicht vorgenommen worden, erklärt die Stadtverwaltung auf Nachfrage.

Beck hält es dennoch für einen faulen Deal. Ihm zufolge sei ein weiterer Lebensmittelmarkt in der Unterstadt nicht zulässig. Denn, so will er in Erfahrung gebracht haben, werde der Netto als Tausch für den Edeka geschlossen. Kein guter Tausch, wie Beck findet. Der Netto habe eine Fläche von rund 800 Quadratmetern, der Edeka hingegen 1800. „Dazu muss man kein Mathe-Genie sein, um den gewaltigen Unterschied zu erkennen.“

Netto wird schließen

Ob der Netto tatsächlich schließen muss, dazu sagt Gebäudeeigentümer Bumiller nichts. Das Regierungspräsidium hingegen bestätigt: „Das Regierungspräsidium hat das Vorhaben unter der Voraussetzung als raumordnungsrechtlich zulässig erachtet, dass die bestehende Einzelhandelsnutzung (Netto) hinsichtlich des Sortiments „Lebensmittel“ ersatzlos entfällt.“

Marktverträglichkeit geprüft

Die Marktverträglichkeit hat der Regionalverband bereits vor zwei Jahren geprüft und positiv beurteilt: „Im Rahmen des Nahversorgungskonzepts der Stadt wurde der Standort Im Eierle betrachtet und für die Versorgung des Nordraums Hechingen eine verträgliche Verkaufsfläche von 1800 Quadratmeter nachgewiesen“, teilt Regionalplanerin Maleen von Au schriftlich mit.

Entsprechend sei der Edeka so konzipiert worden, dass seine Verkaufsflächen die des Netto ersetzen. „So kann gewährleistet werden, dass die Versorgung an den verschiedenen Standorten in Hechingen auch zukünftig gewährleistet bleibt“, schreibt der Regionalverband.

Voraussichtlich im Juni soll die erste mündliche Verhandlung am Verwaltungsgericht Sigmaringen stattfinden.

Klage am Verwaltungsgericht: Im Juni soll verhandelt werden

Lutz Beck hat im Frühjahr 2023 Klage am Verwaltungsgericht Sigmaringen gegen den geplanten Bau des Edeka-Marktes eingereicht. Ein Termin zu einer mündlichen Vereinbarung sei für den April geplant gewesen. Aber: „Der Anwalt der beklagten Seite ist da im Urlaub“, sagt Gerichtssprecher Julian Thüry. Nun sei das Gericht bemüht, noch vor dem Sommer einen Termin zu finden, bestenfalls noch im Juni. Die mündliche Verhandlung wird öffentlich sein, sagt Gerichtssprecher Thüry.

Ob auch ein Termin vor Ort notwendig sein wird, um die dortigen Gegebenheiten in Augenschein zu nehmen, sei noch nicht sicher. Gegenstand der ersten mündlichen Verhandlung sollen die Gutachten sein, ob diese tragfähig sind oder nicht.

Sollte seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen scheitern, kündigt Kläger Lutz Beck bereits an, an die nächsthöhere Instanz zu gehen. Das ist das Oberverwaltungsgericht respektive der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim. Dazu teilt das Verwaltungsgericht schriftlich mit: „Gegen Urteile des Verwaltungsgerichts sind Rechtsmittel gegeben. Entweder lässt das Gericht die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim (wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache) zu, dann kann diese eingelegt werden, oder – das ist der Regelfall – das Gericht lässt die Berufung nicht zu, dann kann beim VGH die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der VGH lässt die Berufung auf einen solchen Antrag hin zu, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestehen, Verfahrensfehler unterlaufen sind, die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Gericht von obergerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist. In der zweiten Instanz muss man sich (in jedem Fall) durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.“

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