Zollernalbkreis

Wahl-Kampf im Wahlkampf: Wie sich hiesige Kommunalpolitiker gegen Attacken wappnen

07.05.2024

von Redaktion

Wahl-Kampf im Wahlkampf: Wie sich hiesige Kommunalpolitiker gegen Attacken wappnen

© Daniel Seeburger

Dieses Wahlplakat an der B27 in Dotternhausen wurde von Unbekannten mit Farbe beschmiert.

Schläge, Attacken, Nötigungen: Etliche Politiker wurden in den vergangenen Tagen und Wochen Opfer von physischer oder psychischer Gewalt im Wahlkampf. Wie aber reagieren die Verantwortlichen von Parteien und Wählervereinigungen im Zollernalbkreis auf die gestiegene Bedrohung, der auch sie und ihre Mitstreiter ausgesetzt sein könnten? Wir haben nachgefragt.

Man habe bisher noch keine direkte Bedrohung im Wahlkampf erfahren, erklärt Joachim Rebholz, stellvertretender Kreisvorsitzender der CDU-Zollernalb auf Anfrage unserer Zeitung. Seine Partei hänge die Plakate nicht selbst auf, sondern habe Fachfirmen beauftragt. Bei Auftritten auf Wochenmärkten oder bei Veranstaltungen würden die Kandidaten oder Gastredner nie als Einzelpersonen vorgeschickt sondern träten immer innerhalb einer Gruppe auf, so Rebholz.

CDU: Immer als Gruppe unterwegs

Kontroverse Diskussionen bei öffentlichen Auftritten oder am Infostand würde es durchaus geben. Auch hier seien immer weitere Parteimitglieder vor Ort, die den Kandidatinnen und Kandidaten verbal zur Seite stehen. Das gelte sowohl für die Kommunal- als auch für die Europawahl, führt Rebholz aus. Die Zerstörung von Wahlplakaten sei bisher weniger problematisch als im vergangenen Landtagswahlkampf. „Aber die heiße Phase kommt ja noch“, erklärt der stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende. Allerdings sei schon ein Wahlplakat abgefackelt worden. „Aber das ist bisher ein Einzelfall“, so Rebholz.

Im „Bündnis für Demokratie“ im Zollernalbkreis sei man schon seit geraumer Zeit im Schulterschluss mit den demokratischen Parteien im Zollernalbkreis. Man habe bis zun Wahl zwar keine größere Aktion mehr geplant, sei aber in stetigem Kontakt.

Grüne: Sicherheitsvorkehrungen getroffen

„Wir werden bei jeglicher verbaler oder physischer Gewalt Anzeige

erstatten“, sagt Konrad Flegr, Pressesprecher der Grünen im Zollernalbkreis. „Ein Klima von Angst spüren wir im Kreis noch nicht“, sagt Flegr gegenüber unserer Zeitung. Dennoch hat die Partei aufgrund der jüngsten Ereignisse Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Flyer verteilen oder Haustürwahlkampf erfolgt nur noch im Zweierteam. Bislang habe es keine Anfeindungen gegeben, sagt Flegr. Beim Infostand auf dem Balinger Wochenmarkt haben die Parteimitglieder keine veränderte Stimmung wahrgenommen.

Bestimmte Sicherheitsvorkehrungen sind hingegen Standard: Personenschutz bei Veranstaltungen mit hochrangigen Politikerinnen oder Politikern werde schon seit Jahren eingesetzt. Bei einer Vortragsveranstaltung unter dem Titel „Björn Höcke ist ein Nazi“ zusammen mit der „Alboffensive“ war die Polizei vor Ort. „Auch wenn es zu keiner Gegendemo und somit auch zu keinem Einsatz der Beamten gekommen war, fühlte man sich sicherer“, erklärt Flegr auf Nachfrage.

Neu ist hingegen, dass bei Publikationen als V.i.S.d.P. (Verantwortlich im Sinne des Presserechts) die Adresse des grünen Kreisverbands in Reutlingen angeben wird. „Da wir keine eigenen Räume für eine Geschäftsstelle im Zollernalbkreis haben, mussten wir bisher eine Privatadresse angeben. Davon sehen wir nun als Vorsichtsmaßnahme ab“, erklärt Flegr. Weiter betonen die Grünen im Kreis: „Wir sind aber einer Meinung, dass Äußerungen etwa von Merz oder Söder oder die aktuelle Wahlwerbung der CDU in Stuttgart, die die Grünen zu Feinden erklären, nicht salonfähig werden dürfen. Wir als Grüne verteidigen weiterhin unsere Demokratie!“

SPD: Nicht einschüchtern lassen

„Als SPD Zollernalb sind wir zutiefst schockiert über den Angriff auf unseren sächsischen SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke“, sagt Katja Weiger-Schick, die Kreisvorsitzende der SPD Zollernalb. „Wir fordern eine umfassende Aufklärung der Tat sowie eine Verurteilung unter der vollen Ausnutzung des Strafrahmens. Wir sehen den gesamtpolitischen Kontext, der vom grundsätzlichen ‚Verrohen‘ der politischen Debatte geprägt ist. Weitere Angriffe auf Politikerinnen und Politiker belegen dies. Dennoch lassen wir uns nicht einschüchtern!“

Was die Zunahme von verbaler und physischer Gewalt für den Wahlkampf der SPD im Kreis ganz konkret bedeutet? Katja Weiger-Schick: „Wir informieren unsere Wahlkämpfenden via unserer SPD Baden-Württemberg über sicherheitsbewusstes Verhalten, beispielsweise mit Hilfe von Leitfäden des Landeskriminalamts. Diese enthalten wertvolle Hinweise, wie sie sicher in der Öffentlichkeit auftreten und sich vor persönlichen Angriffen schützen können. Außerdem weist die SPD Baden-Württemberg auf individuelle polizeiliche Fachberatungen hin, die regionale Polizeipräsidien kostenlos zur Verfügung stellen. Außerdem hat sie inhaltliche Schulungen und Diskussionstrainings angeboten.“

Vorfälle konsequent zur Anzeige bringen

Alle Vorfälle – Vandalismus, Beschimpfungen, Bedrohungen, Angriffe – würden, so die SPD-Kreisvorsitzende, konsequent zur Anzeige gebracht. „Hierbei werden die Wahlkämpfenden bewährt von unseren Regionalgeschäftsstellen unterstützt“, sagt Katja Weiger-Schick. Über allem stehe die Sicherheit der Kommunalpolitiker und Kommunalpolitikerinnen sowie aller Wahlkämpfenden. „Aus Gründen der Fürsorgepflicht sehen wir uns aktuell leider dazu gezwungen“, betont Katja Weiger-Schick, „letzteren beispielsweise zu raten, Plakate nie alleine und vor allem nicht nachts anzubringen.“ Besonderen Schutz genießen dabei die jungen Mitglieder.

FDP gibt sich gelassen

Veränderungen im Wahlkampf der FDP für die Europawahl und die Kommunalwahlen gibt es, so informiert Dietmar Foth von der Kreis-FDP auf unsere Anfrage hin, nicht. Man sei „unverändert achtsam“. Folglich laufe der Wahlkampf bei der FDP nicht anders ab als bisher, das Thema Gewalt sei nicht präsenter, es bestehe auch kein ungutes Gefühl und es gebe demnach keine verstärkten Sicherheitsvorkehrungen.

Freie Wähler: Der Ton wird bisweilen rauer

Dem Kreistags-Fraktionsvorsitzenden Reinhold Schäfer ist nichts bekannt, dass die Freien Wähler im Zollernalbkreis nach den Vorkommnissen in Dresden Vorkehrungen treffen. Ihm sind auch keine tätlichen Angriffe oder Gewalt gegen Personen der Freien Wähler bekannt, obgleich der Ton bisweilen rauer werde. Als er mit dem „Aktionsbündnis Zollernalb – Demokratie ist mehrWert“ vor einigen Wochen auf dem Balinger Wochenmarkt Präsenz gezeigt hat, habe er deutlich kritische Worte gehört, führt er exemplarisch auf. Da brauche es schon ein dickes Fell.

In Sachen Wahlkampfaktionen sei seiner Kenntnis nach im Zollernalbkreis nichts abgesagt worden. Beispielsweise Infostände mit Freie-Wähler-Kandidaten auf Wochenmärkten finden wie geplant statt. Schäfer schätzt, dass es am ehesten bei Wahlplakaten Probleme geben könnte, dass diese auch beschädigt oder beschmiert werden. Die Freien Wähler verzichten auf diese Form des Wahlkampfs aber ohnehin und hängen keine Plakate auf.

Anders sehe es bei entsprechenden Vorkehrungen aus, wenn hochrangige Politiker bei den hiesigen Parteien und Vereinigungen zu Gast seien, wie beispielsweise kürzlich Landtagspräsidentin Muhterem Aras in Balingen. Hier habe man selbstverständlich die Polizei mit ins Boot geholt, um die Sicherheit aller zu gewährleisten.

AfD-Kreissprecher bedauert Übergriffe

„Es ist äußerst bedauerlich, wenn Menschen, gleichgültig welcher Couleur, beim Plakatieren, Flyern auf Info-Ständen oder auch bei anderen Partei-/Wählergruppen-Initiativen von extremen Andersdenkenden angegriffen und auch unter Einsatz körperlicher Gewalt in ihren Rechten beschnitten werden“, sagt der AfD-Kreissprecher Hans-Peter Hörner. Diesen Gewaltweinsatz lehne man als Mitglieder der Alternative für Deutschland bedingungslos ab.

Die AfD im Zollernalbkreis habe insbesondere auch beim Flyern und Plakatieren, schon immer darauf geachtet, dass mindestens zwei Personen zusammen die jeweilige Tätigkeit ausführen. „Wir stellen allerdings in den jeweiligen Wahlkreisen zur Kreistagswahl fest, dass hier die negativen Wahrnehmungen im Vergleich zu früheren Jahren stark zurückgegangen sind.“ Bei verbalen Angriffen habe man „zunehmend dankbar“ bemerkt, „dass sogar Dritte sich den Aggressoren gegenüberstellen. Zivilcourage sei also - zumindest im Zollernalbkreis - kein Fremdwort.

Diesen Artikel teilen: