Hechingen

Werner Zink aus Hechingen sammelt Briefmarken – Stirbt sein Hobby aus?

19.03.2024

Von Olga Haug

Werner Zink aus Hechingen sammelt Briefmarken – Stirbt sein Hobby aus?

© Olga Haug

Der Hechinger Fehldruck: Zum Jubiläumsfest hatte der Verein Briefmarkenfreunde Hechingen einen Bogen Briefmarken mit Fehldrucken erhalten.

Werner Zink, Vereinsvorsitzender der Briefmarkenfreunde Hechingen, lässt sich nicht beirren. Auch wenn sein Hobby für viele als ausgestorben gilt und es zunehmend an Sammlerstücken mangelt. Er sammelt weiter.

Werner Zink frönt einem Hobby, bei dem es zunehmend an Gleichgesinnten fehlt und allmählich auch an Material: Briefmarken sammeln. In Zeiten, in denen Briefmarken durch Hashtags oder QR-Codes ersetzt werden und Briefe allgemein immer mehr an Bedeutung verlieren, wird es für Philatelisten wie Werner Zink zunehmend schwieriger, ihrer Leidenschaft nachzukommen.

„Man muss ein bestimmtes Gen in sich haben.“

Nichtsdestotrotz hat der Verein „Briefmarkenfreunde Hechingen“ aktuell beachtliche 60 Mitglieder. Seine Glanzzeit endete vor rund 12 Jahren, als der Verein noch über 100 Mitglieder zählte. Von den verbliebenen 60 sind heute wohl nur noch rund 25 Mitglieder aktiv tätig. Die allermeisten sind zwischen 70 und 99 Jahren, erzählt Zink – ein Phänomen, das freilich nicht nur in Hechingen anzutreffen ist. Was den Mitgliedern aber allen gemein ist: großer Zusammenhalt und eine ebenso große Leidenschaft. „Man muss ein bestimmtes Gen in sich haben“, sagt Zink, der seit 25 Jahren an der Spitze des Vereins steht und dessen eigenes Sammler-Gen im Gespräch immer wieder deutlich hörbar wird.

+++ Jetzt kostenlos abonnieren: der ZAK-Whatsapp-Kanal +++

Auf der Suche nach einem Beleg seines Großvaters

Wie groß seine persönliche Sammlung ist, verrät Zink indes nicht. Das gehört sich in Sammlerkreisen offensichtlich nicht. Ihn interessiert hingegen viel mehr, was er noch nicht hat: einen Beleg seines Großvaters. Alfons Zink war Apotheker des Zollernlaboratoriums, die alte Hechinger Hofapotheke. 1935 ist der Großvater verstorben. Was Werner Zink aus der Zeit hat, sind Briefköpfe, aber eben keine Belege. Seit Jahren sucht er danach – vergebens.

Ein sogenannter Beleg ist ein Umschlag samt Briefmarke(n), vollständig sichtbarem Stempel, einer Anschrift und einer Adresse. Zusammengenommen erzählen alle Komponenten eine komplette Geschichte. Der finanzielle Wert spielt für Zink dabei keine Rolle. Es geht um den persönlichen, tief emotionalen Wert.

Werner Zink aus Hechingen sammelt Briefmarken – Stirbt sein Hobby aus?

© Olga Haug

Werner Zink hat das Sammler-Gen. Er sammelt Briefmarken und sogenannte Belege.

„Früher wurden Briefmarkensammlungen vererbt, heute geht es allein um das schnelle Geld, um Immobilien“, bedauert Zink. Einen positiven Effekt hat dieser Umstand aber doch: In Auktionshäusern erzielen Briefmarken aktuell Höchstpreise. Vergangenes Jahr wurden die letzten Briefmarken aus der großen Sammlung des ehemaligen Tengelmann-Chefs und Milliardärs Erivan Haub versteigert. Die Versteigerung aller Exponate dauerte rund 5 Jahre und wird auf einen Gesamtwert im zweistelligen Millionenbetrag geschätzt.

Begehrte Marken sind die rote und die blaue Mauritius

Es seien vor allem Sammler, die sich das früher nicht leisten konnten und sich nun endlich eine langersehnte Rarität gönnen wollen, erklärt Werner Zink die aktuelle Marktlage. Begehrte Marken sind zum Beispiel die rote Mauritius und die blaue Mauritius. Sie sind die ersten beiden Briefmarken aus der britischen Kronkolonie Mauritius, die 1847 ausgegeben wurden. Davon wurden jeweils 500 gedruckt. Heute sollen von der roten weltweit nur noch 15, von der blauen Mauritius allein noch 12 Exemplare existieren. Der berühmte „Bordeaux-Brief“, auf dem sowohl die rote als auch die blaue Mauritius klebt, hat einen Wert von 8 Millionen Euro.

Der Fehldruck von Hechingen

Seltenheit ist das begehrte Stichwort unter den Philatelisten. Und großen Seltenheitswert haben vor allem Fehldrucke. Einen solchen hat der Hechinger Verein auch schon selbst verursacht. 2006 feierte die Stadt Hechingen Jubiläum: 175 Jahre kaiserliche Posthalterei. Zu diesem Anlass wollte der Verein freilich eine besondere Briefmarke drucken lassen, eine sogenannte „Briefmarke individuell“. Gedruckt werden sollte die Burg Hohenzollern, versteht sich. Denn diese war zuvor noch nie auf einer Briefmarke abgedruckt worden, sagt Zink – außer das eine Mal, 1986 in Ghana, erwähnt Zink am Rande, und von der Zink selbstverständlich eine besitzt.

Werner Zink aus Hechingen sammelt Briefmarken – Stirbt sein Hobby aus?

© Olga Haug

In Ghana wurde 1986 eine Briefmarke mit der Burg Hohenzollern gedruckt.

Die große Frage damals: Wie viele Marken sollen zum Jubiläumsfest gedruckt werden? Der Verein entschied sich für 1900 Exemplare. Nach wenigen Wochen waren alle 1900 Stück ausverkauft – weit vor dem Jubiläumsfest, an dem die Marken eigentlich unter die Leute kommen sollten. Der Verein bestellte Nachschub – ein ähnliches Szenario ereignete sich. Am Abend vor dem Fest kam die letzte Bestellung mit weiteren 500 Marken, die aber niemand mehr in Augenschein genommen hatte, erinnert sich Zink. Das Fest begann, die Marken unter den Gästen waren beliebt, und am Nachmittag dann der große Aufruhr: Die letzten 500 Marken waren ein Fehldruck. Der Schriftzug „Burg Hohenzollern“ fehlte. Heute sind nur 120 der einst 500 Marken vorhanden. „Das Highlight für Sammler“, sagt Zink mit Begeisterung. Was von den Fehldrucken am Festtag noch übrig blieb, sicherten sich Zink und seine Vereinskollegen selbstverständlich schnell.

Wer sich mit Briefmarken auskennt, kennt sich mit Geschichte aus

Aber was ist es, das heute noch Menschen zum Briefmarkensammeln bewegen kann? „Es ist eines der vielseitigsten Hobbys“, sagt Zink aus Überzeugung. Und: „Man kann viel lernen.“ Jede Briefmarke wurde zu einem bestimmten Anlass gedruckt. „Jeder Briefmarkensammler weiß, wann Kennedy ermordet wurde“, sagt Zink. Wer sich mit Briefmarken auskennt, kennt sich unweigerlich auch mit Geschichte und Weltgeschehnissen aus. Im Mai 1840 kam die erste deutsche Briefmarke raus. Nahezu 200 Jahre Weltgeschichte stecken also in den Marken.

Kein Schulkind ohne Sammelalbum

Die Leidenschaft für die bunten Marken begann meist im Schulalter, so wie auch bei Werner Zink. „Bei den Kumpels hat man nur was gegolten, wenn man ein Sammelalbum hatte“, erinnert sich Zink an seine eigene Kindheit zurück und daran, wie er zusammen mit seinem Vater die Vereinstreffen besuchte. Aus der kindlichen Begeisterung wurde alsbald eine große Leidenschaft und die Jagd nach seltenen Stücken – und für Zink persönlich die Suche nach einem Beleg seines Großvaters.

Großtauschtag am 7. April

Chancen, langersehnte Raritäten zu ergattern, bieten sogenannte Großtauschtage. Am Sonntag, 7. April veranstaltet der Hechinger Verein einen solchen Tauschtag in der Stadthalle Museum von 9 bis 16 Uhr. Weil es das Jubiläumsjahr ist, hat der Verein freilich eine besondere Ausstellung konzipiert.

Diesen Artikel teilen: